Die Natur von Unterscheidungsmerkmalen
Das Bedürfnis nach Differenzierung an sich ist alles andere als neu – letztendlich wird die Differenzierung zu einem großen Teil die Wettbewerbsstrategie bestimmen, und diese wiederum ist der Schlüssel zum Überleben in einem mitunter extrem wettbewerbsintensiven Markt.
In diesem Zusammenhang ist es schwer zu verstehen, warum vielen Technologieunternehmen in B2B-Umgebungen mit komplexen Verkaufszyklen nicht klar zu sein scheint, was ihre wirklichen Unterscheidungsmerkmale sind – oder was ihr tatsächliches Wertversprechen für verschiedene Käuferrollen ist. Folglich haben wir gesehen, dass Vertriebs- (und Marketing-) Argumentation häufig am Kernthema oder der Zielgruppe vorbeigeht, so dass der potenzielle Geschäftswert für die Kunden nicht richtig kommuniziert wird und erhebliche Wirkung (und Geschäfte) verloren gehen.
In diesem Artikel schlagen wir vor, die wesentlichen Eigenschaften Ihres Angebots (Ihre potenziellen Unterscheidungsmerkmale) in vier verschiedene Klassen (Unterscheidungsmerkmale, Qualifikationsmerkmale, Strärken und Belege) einzuteilen, die speziell auf die verschiedenen Rollen Ihrer Kunden-Stakeholder zugeschnitten sind. Auf dieser Grundlage ist es dann relativ einfach zu erkennen, ob Sie für jede relevante Käufergruppe wirklich hochwertige Argumente haben – und Ihre Verkaufsargumentation so zu formulieren, dass sie die maximale Wirkung erzielt.
Alleinstellungsmerkmale und 'Qualifiers'
Wir wollen hier nicht näher darauf eingehen, wie man eine Differenzierungsstrategie entwickelt oder wie Differenzierung geschaffen werden kann, sondern uns vielmehr auf die unterschiedlichen Qualitäten dessen konzentrieren, was Differenzierungsmerkmale sein könnten (und oft als solche angesehen werden).
Werfen wir zunächst einen Blick auf einen bestimmten Aspekt, der offenbar häufig missverstanden wird: den Unterschied zwischen „Alleinstellungsmerkmalen“ und „Qualifiers“.
Auf den ersten Blick erscheint der Unterschied trivial: Ein 'Qualifier' ist eine Eigenschaft Ihres Angebots, die eine Mindestvoraussetzung darstellt, um überhaupt konkurrieren zu können – im einfachsten Beispiel ein zuverlässig funktionierendes Produkt. Ein Alleinstellungsmerkmalauf der anderen Seite ist es etwas, das Sie von der Konkurrenz abhebt und Ihnen einen gewissen Wettbewerbsvorteil verschafft.
In der Praxis haben wir jedoch allzu oft gesehen, dass diese Klassifizierung schwierig sein kann: Beispielsweise werden ausgefallene technische Merkmale häufig als Alleinstellungsmerkmal angesehen. Die vermeintlich bessere Produktqualität wird als Alleinstellungsmerkmal genannt. Nachhaltigkeit kann als Alleinstellungsmerkmal angesehen werden. Aber ist das alles wirklich relevant?
Drei Kriterien für Unterscheidungsmerkmale
Wir würden argumentieren, dass für ein echtes Unterscheidungsmerkmal drei Kriterien zutreffen müssen:
- Welchen Wert hat eine Eigenschaft Ihres Angebots für den Kunden? Dies dürfte die kniffligste (und relevanteste) Frage sein – Sie sollten nicht nur in der Lage sein, den Wert klar zu definieren, sondern Sie sollten auch sagen können, für welche Ihrer Kundenzielrollen dieser gilt. Beispiel: Ein technisches Feature könnte für einen technischen Käufer von großer Relevanz sein – aber dem CEO ist es wahrscheinlich egal, es sei denn, es ist ein finanzieller oder strategischer Wert damit verbunden.
- Wie einzigartig ist diese Eigenschaft wirklich? Die Antwort darauf kann von „Ja, absolut“ über „Na ja, einige unserer Konkurrenten können das auch“ bis hin zu „Nein, das ist wirklich völlig üblich“ reichen. Die oft zitierten „Siver Bullets“ würden offensichtlich in die erste Kategorie fallen.
- Wie bewiesen ist diese Eigenschaft? Ohne Beweise handelt es sich nur um eine Behauptung – und Einkäufer sind besonders geschickt darin, Fragen zu stellen wie „Woher kommt diese x%-Einsparungen?“. Detaillierte Berechnungen mit vernünftigen Annahmen oder besser tatsächliche Fallstudien oder Testimonials sind hier ein zentraler Aspekt.
Beispiele
Mit den drei Fragen oben sollten Sie relativ schnell herausfinden können, was Ihre wirklichen Unterscheidungsmerkmale für welche Zielrolle sind.
Nutzen wir noch einmal das technische Merkmal: Wenn es für die technischen Einkäufer einen echten Wert hat (je mehr Wert, desto besser), wirklich einzigartig und auch bewährt ist, haben Sie ein echtes Differenzierungsmerkmal in der Hand – für diese Kundenzielrolle. Sie haben möglicherweise eine „Wertdimension“ gefunden, die andere Wettbewerber noch nicht addressiert haben und die Ihnen helfen könnte, im „Blauen Ozean“ zu schwimmen, der noch nicht „rot vom Blut der Wettbewerber“ ist. Um ein derart erstrebenswertes Ergebnis zu erzielen, müssten Sie natürlich ähnliche Unterscheidungsmerkmale auch für andere Entscheidungsträger oder Stakeholder auf Kundenseite finden: Alle müssten einen Geschäftswert für sich erkennen.
Wenn eine Funktion hingegen einen Mehrwert bietet, aber völlig üblich im Markt ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie eher einen Qualifier vor sich haben– im Grunde hat jeder diese Funktiion, und die Kunden erwarten, dass sie vorhanden ist. Ohne sie würde kein Kunde ernsthaft darüber nachdenken, Ihr Produkt/Ihre Lösung/Ihre Dienstleistung zu kaufen. Grundsätzlich sprechen wir hier vom Minimum Viable Product (oder allgemeiner vom Minimum Viable Offering). Und diese Fälle können ziemlich extrem sein: Wir haben beispielsweise in der Telekommunikationsbranche gesehen, dass RfQs in der Regel verlangen, dass Geräte nahezu jedem erdenklichen Standard entsprechen, selbst wenn der Kunde überhaupt nicht die Absicht hat, diese Funktionen jemals zu nutzen. Dennoch kann Sie die Nichteinhaltung aus dem Rennen werfen.
Allerdings können (und werden) sich die Dinge mit der Zeit ändern: ESG (Environmental, Social, and Corporate Governance) ist ein schönes Beispiel dafür. Während es vor Jahren vielleicht ein Unterscheidungsmerkmal war, ein umweltfreundliches Unternehmen zu sein, ist es heutzutage in vielen Märkten eher ein Qualifikationsmerkmal.
Und wie sieht es mit der bereits erwähnten Produktqualität aus? Nun, es kommt darauf an – ob Sie nachweisen können, dass Ihr Produkt aufgrund der „überlegenen Qualität“ tatsächlich länger hält, geringere Wartungskosten usw. hat? Fantastisch. Ansonsten werden solche Stellungnahmen von Kunden meist als „unnütze Ansprüche“ – oder bestenfalls als Qualifizierungsmaßnahme – abgelegt.
Abschließend: Wie wäre es mit einer Funktion, die einzigartig und bewährt ist – aber keinen Wert hat? Nennen wir das einfach „Geldverschwendung“. Oder rosa Elefant.
Es gibt mehr als Alleinstellungsmerkmalen und Qualifikatoren
Unserer Meinung nach sollten auf der 'Differenzierungsskala' zwei weitere Kategorien berücksichtigt werden:
Für den Fall, dass eine wertvolle Eigenschaft Ihres Angebots nicht einzigartig, aber auch nicht völlig üblich ist, würden wir sie einfach allgemein als“ 'Stärke' bezeichnen und sie müsste mit Bedacht gehandhabt werden. Es ist etwas, das als Argument gegenüber bestimmten Kunden oder gegen bestimmte Wettbewerber genutzt werden könnte, aber es ist sicherlich kein Allheilmittel. In stark standardisierten Märkten (und „roten Ozeanen“) ist dies möglicherweise alles, was Sie jemals haben werden, was Sie dazu zwingt, diese Stärken zu sammenln, um ein differenziertes Angebot zu schaffen – und bei der Positionierung noch besser vorbereitet und zielgerichteter vorzugehen.
Den anderen Fall würden wir „Beweise“nennen. Dies sind Eigenschaften Ihres Angebots, die für sich genommen keinen Wert bieten, die aber zu Wert führen. Beispiel: Wenn Sie einem COO sagen, dass Ihr Produkt sein OPEX um x% reduzieren wird, sollten Sie ihm auch sagen können, welche Eigenschaften Ihres Angebots diese Einsparungen tatsächlich ermöglichen (und natürlich bei Bedarf eine vernünftige Berechnung erstellen können).
Ein Tool für ein schnelles „Value Audit“
Zusammenfassend sollten die Eigenschaften Ihres Angebots in vier verschiedene Kategorien einsortiert werden:
- „Alleinstellungsmerkmale“ sind wertvoll (für bestimmte Zielrollen!), einzigartig und bewährt
- „Stärken“ sind möglicherweise nicht unbedingt einzigartit, können aber (insbesondere wenn sie kombiniert werden) dennoch einen echten Vorteil bieten
- „Qualifiers“ sind Grundvoraussetzungen, ohne die Sie nicht im Markt konkurrieren können
- „Beweise“ sind an sich nicht wertvoll, können aber verwendet werden, um zu veranschaulichen oder zu beweisen, wie Wert generiert wird
Wie bereits erwähnt, ist dies etwas ganz anderes als die Entwicklung einer Differenzierungsstrategie oder die Definition eines Produkts, so dass es Alleinstellungsmerkmale aufweist – es kann jedoch ein nützliches Werkzeug sein, um Ihr Wertversprechen für verschiedene Zielgruppen zu überprüfen (dazu gehört dann natürlich auch die Erstellung von 'Backlogs' oder die Überprüfung der potenziellen 'Fit' im Markt), oder die Unterstützung von Vertriebs- und Marketingabteilungen bei der passenden Positionierung ihrer Angebote für unterschiedliche Zielgruppen.
Letztendlich geht es bei einer erfolgreichen Vertriebsstrategie im B2B darum, den Kunden über den gesamten Go2Market-Zyklus hinweg einen erstklassigen Geschäftswert zu bieten. In diesem Sinne ist die richtige Auswahl der Unterscheidungsmerkmale nur ein Baustein eines umfassenden, auf den Kundenwert ausgerichteten go2market-Ansatzes.